“Einmessen” der PA mit Referenzliedern

Nach dem Aufbau und vor dem Soundcheck lasse ich sofern es die Zeit zulässt eigentlich immer etwas Musik über die PA laufen. Ich habe mir in den letzten Jahren eine Referenz-CD (oder einen Referenzordner) zusammengestellt: darauf befinden sich einige Songs die nicht unbedingt “perfekte” (Re-)Produktionen von irgendwas sondern einfach Lieder sind, die ich in- und auswendig kenne und schon Hunderte von Malen gehört habe. So merke ich normalerweise sofort wie Raum UND PA auf die für Rockmusik wichtigsten Frequenzbereiche reagieren und führe entsprechende Korrekturen am 31-Band-EQ in der Summe durch. Dabei gehe ich üblicherweise ähnlich vor wie beim Einpfeifen von Monitoren: verdächtige Frequenz identifizieren, Fader/Band boosten — überprüfen und “gespiegelt” unter die Nulllinie ziehen. Das Ganze allerdings eher nach Gefühl als mathematisch. Ich habe von den Songs Ausschnitte vorbereitet, die praktisch nie länger als 1 Minute laufen. So fällt es mir leichter schnell die wichtigen Entscheidungen zu treffen – ohne dass das Gehör ermüdet, man sich an den Sound gewöhnt und man endlos hin- und herschraubt bis man jegliche Perspektive verloren hat.

Ich beginne meist mit der Instrumentalversion von “Nobody Does It Better” (Nate Dogg). Das ist ein schön smoother aber ziemlich “breitbandiger” Track in dem (vom Arrangement) nicht wirklich viel passiert. Meist schau ich zuerst danach wie sich der Bassbereich ab 300hz abwärts verhält, dann vielleicht wie die Snare und die Hihats so wirken, dann was die Pads und der Synthie so in den Höhen so anstellen. Da der Track vom Soundeindruck sehr weich und unaufdringlich ist, fällt es eigentlich sofort auf, wenn Frequenzen durch den Raum oder die PA überbetont werden.

Weiter mache ich dann mit einem Ausschnitt von “Colorblind” (Chroma Key). Hier höre ich besonders auf den Gesang. Dieser ist auf der Aufnahme stark gefiltert. Da achte ich darauf, dass er nicht zuu funkgerätmäßig rüberkommt, oder es gar unangenehme klingelnde Resonanzen etwa im Bereich 400-1600hz gibt. Der ganze Song soll voll und rund wirken.

Weiter gehts dann zu einem Ausschnitt “The Forgotten Part 2” von Joe Satriani (Bridge bis einschließlich erstes Solo). Die Gitarre sollte richtig schön fett, warm und funkelnd klingen (wenns nicht zu synästhetisch-esoterisch wäre hätte ich “golden” gesagt :)). Interessante Frequenzen hier vor allem 1khz-6.4khz. Wenn der Gitarrensound schon stimmt und noch Zeit ist probier ich schnell im Bereich 8k-16k dass die Hihats und Becken nicht zu “dünn” und “spitz” klingen (zu transientenreich). Der Höhenbereich der Snare darf hier ruhig ein bisschen leiden.

Zum Abschluss spiele ich meist den Anfang von “Monkey Business” von Skid Row. Nach dem Intro muss der Songeinstieg einen guten Dynamiksprung machen und der erste Schrei darf nicht unangenehmer klingen als er nunmal ist. Wenn irgendetwas am Gesamtbild über 1khz nicht stimmt wird das in den paar Takten vor der ersten Strophe gnadenlos aufgedeckt. Falls es aber wie ein normal nerviger Hairmetalsong klingt kann das PA-Tuning eigentlich aufhören.

Falls jetzt noch Zeit ist höre ich noch ein paar (wechselnde) andere oder auch aktuellere Songs. Sollte mir hier irgendetwas auffallen so behalte ich das meist, oder bereite mir schon mal 1-3 Frequenzen für den (noch deaktivierten!) parametrischen Equalizer der Summe vor. Mit weiteren Änderungen am Graphic EQ bin ich seehr zurückhaltend.

Parallelkompression.

Parallelkompression zur Verdichtung des Signals

Das Gegenteil von Diät.

Im Gegensatz zur „klassischen“ Kompression, die eher dazu gedacht ist, Signalspitzen abzuschwächen oder zu begrenzen, bekommt man mit Parallelkompression wunderbar eine echte „Verdichtung“ des Signals hin – ohne jedoch die Transienten erheblich einzubüßen. Sie eignet sich also hervorragend um Sachen anzudicken.

In der Regel wird diese Art der Kompression wohl in einer Subgruppe (oder einem anderen Bus realisiert). So könnte man beispielsweise einen heftig arbeitenden Kompressor in die Inserts der Subgruppe stöpseln, und dann die Kanäle sowohl zur Subgruppe (1-2) als auch zu den Main Outs (L-R) schicken. Was hier passiert ist natürlich folgendes: die direkten (unkomprimierten) Signale enthalten weiterhin alle Pegelspitzen, alle Transienten, den vollen Attack und die volle Dynamik des Originalsignals. Die komprimierte Subgruppe sorgt dafür, dass das Signal auch in den leiseren Passagen „da“ ist. Gleichzeitig wird natürlich auch der (gefühlte oder echte) Raumanteil des Signals angehoben.

Der Vorteil oder Nachteil der Kompression in der Subgruppe: Subgruppen sind Post-Fader. Je höher die Kanälfader, desto mehr wird der Kompressor angesteuert. Für eine faderunabhängige Parallelkompression würde es sich also anbieten, den Kompressor über Pre-Fader-Auxwege anzusteuern – in der Regel sind diese im Pult aber relativ kostbar, da selten :)

Durch moderne Digitalpulte sind schnell und relativ unkompliziert die selben und durchaus komplexere Routings möglich: oft findet man zum Beispiel in sämtlichen Mixbussen Kompressoren (die vielleicht nicht besonders viel Charakter haben), die dann Pre- oder Postfader arbeiten. Edit: Falls beide Signale aus irgendeinem Grund (Latenz!) nicht gleichzeitig am Ausgang ankommen, dann gibt’s natürlich fiese Nebeneffekte!

Ich habe mein Pult momentan so eingerichtet, dass die ersten 16 Inputs (Layer 1) gleichzeitig auf den Kanälen 17-32 (Layer 2) anliegen (per Soft Patching). Dadurch gewinnt man noch einmal ein Plus an Flexibilität. Beispiel: Kick Mikro 1 (Ch 1) liegt gleichzeitig auf Ch17. Der Kompressor in Kanal 1 ist entweder aus oder arbeitet im „Sicherheitsmodus“: er begrenzt lediglich einige Spitzen, arbeitet aber weitestgehend unhörbar. Der Kompressor in Kanal 17 arbeitet ständig und kräftig (mehrere, vielleicht sogar zweistellige Dezibel Gain Reduction, gerne viel Atem und Pumpen). Jetzt benutzer ich Fader 1 für den “normalen” Kicksound und kann mit dem Fader von Kanal 17 das komprimierte Signal hinzuschieben, bis die Abstimmung passt. Gleichzeitig geht nun die Snare beispielsweise parallel in Kanal 3 und 19. Ich kann diese also unabhängig von der Kick komprimieren (=mit eigenen Einstellungen für Attack, Release, Ratio, Threshold, Kompressortyp..). Ich werde mir außerdem DCAs für (die komplette) Layer 1 und Layer 2 eingerichten. So kann ich je nach Part/Song/Geschmack ständig die passende Balance zwischen ALLEN unkomprimierten und komprimierten Signalen nachregeln. In den einzelnen Kanälen von Layer 2 kann man natürlich je nach Signal auch einen angepassten EQ verwenden. In diesem Setup kann ich allerdings so nicht den Eingang der Kompressoren mit einem Fader steuern, dazu schicke ich dann trotzdem wieder einzelne Signale/Gruppen auf Post-Fader-Mixbusse. Dazu später mehr :)

Ich benutze Parallelkompression live mehr oder weniger auf praktisch ALLEN Quellen. Es macht das Schlagzeug dicker, hilft leisere Klänge (Sidesticks..) nach oben zu holen, es gibt dem Bass mehr Schub, es macht Vocals in leiseren Passagen hörbarer, wirkt wie ein Boost für Single Notes bei E- und A-Gitarren, gibt (Elektro-)Akustikgitarren mehr Substanz, hebt schön die leiseren Parts von akustischen Instrumenten wie Geige oder Cello an… mit Sicherheit eine meiner “Lieblingstechniken” :) Man sollte nur wirklich vermeiden, den extrem komprimierten Sachen auf die (Bühnen-)Monitore zu schicken. Das kann leicht ins Auge Ohr gehen.

Habe mal (ITB) einige Hörbeispiele zusammengeschmissen. Man hört jeweils abwechselnd 1-2 Durchgänge vom Originalsignal und dann das parallelkomprimierte Signal (ohne EQ, Verb o.ä.). Habe versucht den Maximalpegel jeweils gleich zu lassen, so dass man besser hört, was bei der Parallelkompression eigentlich passiert.

Kick

Snare

Full Metal Drumkit Loop v1

Full Metal Drumkit Loop v2

Vocals

Ich hoffe, dass diese Erklärungen einigermaßen klar verständlich sind. Fragen, Kommentare, Verbesserungsvorschläge und das Vorstellen eigener Techniken und Anwendungen sind natürlich gerne erlaubt :)